24.10.2012 – Ar­ti­kel von Sarah J. Tscher­ni­gow

Rent a War­hol

Die Ma­le­rei über dem Schreib­tisch, die Skulp­tur im Emp­fangs­be­reich –
Kunst kann Mit­ar­bei­ter in­spi­rie­ren und ist gut fürs Image. (…)

Mar­kus Weber aus Nür­tin­gen, Raum Stutt­gart, glaubt fest daran, dass Kunst ein an­ge­neh­mes Ar­beits­kli­ma schaf­fen kann. Der 44jäh­ri­ge ist bei der Volks­bank Nür­tin­gen für Mar­ke­ting und Ver­triebs­ma­nage­ment ver­ant­wort­lich und er­läu­tert: “Kunst war für uns immer ein Thema. Das gibt dem Raum ein­fach eine an­de­re At­mo­sphä­re.”

Viele Jahre gab es in den Büros der Volks­bank wech­seln­de Kunst­aus­stel­lun­gen, mal Aqua­rel­le, mal Fo­to­gra­fi­en, bei­spiels­wei­se Werke aus der be­kann­ten Fo­to­samm­lung der De­ka-Bank. Schliess­lich liess sich die Bank von der Kunst­be­ra­te­rin Eva Mu­el­ler be­ra­ten, als sie ihren Neu­bau plan­te und alles kon­se­quen­ter an­ge­hen woll­te.

Auch Utho Preu­ßen, Ei­gen­tü­mer des Be­ra­tungs­un­ter­neh­mens “Po­si­ti­ve Lea­dership” in In­gol­stadt liess sich von Eva Mu­el­ler be­ra­ten “Kunst zu kau­fen ist eine Frage des Mutes. Des­halb soll­te man sich mit den Wer­ken län­ger aus­ein­an­der­set­zen, um her­aus­zu­fin­den, ob sie zum Un­ter­neh­men pas­sen.”

Damit spielt der 56 jäh­ri­ge nicht nur auf die Äs­the­tik eines Wer­kes an, son­dern auf des­sen Bot­schaft. Vor Jah­ren, als Creu­sen noch Ge­schäfts­füh­rer der Media Sa­turn Hol­ding war, er­hielt er über die Kunst­be­ra­tung Eva Mu­el­ler eine Por­trait­rei­he. “Die Bil­der stell­ten ein­fach die Ge­sich­ter von Men­schen in ihrer In­di­vi­dua­li­tät dar.” Die In­di­vi­dua­li­tät, das “Auf-den-Ein­zel­nen-Ein­ge­hen”, das war sein An­lie­gen als Per­so­nal­ver­ant­wort­li­cher im Vor­stand – und das soll­te auch als Fir­men­phi­lo­so­phie nach außen ge­tra­gen wer­den.

Nach einer Weile hat­ten so­wohl Utho Preu­ßen als auch Mar­kus Weber das Be­dürf­nis die Kunst am Ar­beits­platz in ihrer Funk­ti­on als Bot­schaf­ter zu op­ti­mie­ren. Dabei half die Kunst­be­ra­te­rin Eva Mu­el­ler aus Grün­wald in Mün­chen. Un­ter­neh­mer wür­den zu­neh­mend be­grei­fen, wie wich­tig auch die ver­meint­lich ne­ben­säch­li­che Kunst in ihren Räu­men sein könne, dass sie mehr sei als De­ko­ra­ti­on: “Wir ver­brin­gen die meis­te Zeit am Ar­beits­platz”, er­klärt Eva Mu­el­ler. “Die Ar­beits­räu­me haben eine große Be­deu­tung für das Wohl­be­fin­den der Men­schen. Kunst kann einen guten Input geben und Mit­ar­bei­ter in­spi­rie­ren. Es ist auch eine tolle Mög­lich­keit, Ver­än­de­rungs­po­ten­zi­al ins Un­ter­neh­men zu brin­gen.”

Bevor sie pas­sen­de Ob­jek­te fin­det, gibt es eine ge­naue Be­stands­auf­nah­me: Wie sind die Räume und Gänge be­schaf­fen? Wer ar­bei­tet hier? Wie lau­tet die Phi­lo­so­phie? Es gibt klei­ne­re Pro­jek­te, wo wir eine Kanz­lei für 5000 Euro be­ra­ten. Oft aber sind es lang­jäh­ri­ge, grö­ße­re Auf­trä­ge.”

Das um­fas­sends­te Pro­jekt war die künst­le­ri­sche Aus­ge­stal­tung eines neuen Four Sea­sons Ho­tels in Süd­frank­reich. Mehr als tau­send Ob­jek­te für den In­nen- und Au­ßen­be­reich wur­den von der Kunst­be­ra­te­rin aus­ge­wählt und be­sorgt; eine Ar­beit von meh­re­ren Jah­ren.

Bei Utho Preu­ßen ging es schnel­ler, doch auch er hat mehr als ein Jahr lang mit Eva Mu­el­ler an einem Kunst­kon­zept für seine Firma ge­ar­bei­tet und am Ende ein Fir­men­sym­bol ent­wi­ckelt: Eine Jon­gleu­ren. “Wir woll­ten damit aus­drü­cken, dass wir ganz­heit­lich den­ken, uns aber auch an die Ge­ge­ben­hei­ten an­pas­sen. Dazu ge­hört es, meh­re­re Bälle gleich­zei­tig in der Hand zu haben, sie rich­tig ab­zu­wer­fen und wie­der auf­zu­fan­gen.” Jetzt, wo mit gro­ßem Auf­wand die Vi­si­on des Un­ter­neh­mens künst­le­risch hieb- und stich­fest durch­dacht wurde, ist Utho Preu­ßen zum Kau­fen über­ge­gan­gen. An­ge­schafft wurde eine zwei Meter hohe Plas­tik, eine Jon­gleu­rin aus Bron­ze. Mi­nia­tur­aus­füh­run­gen davon ver­schenkt er an Kun­den.

Die Volks­bank woll­te eine Volks-Bank 

Was das ge­kos­tet hat, will Creu­sen nicht ver­ra­ten, nur so viel: Die In­ves­ti­ti­on habe sich ge­lohnt. “Wir mer­ken, dass sich die Wahr­neh­mung der  Men­schen ver­än­dert hat. Kun­den spre­chen uns auf die Kunst an, es ent­steht Ge­sprä­che. Wir er­läu­tern die Sym­bo­lik und die Kun­den sagen: Ja, das ver­ste­he ich jetzt.”

Auch Mar­kus Weber von der Volks­bank ist teil­wei­se zum Kau­fen über­ge­gan­gen. Die zwei Bü­ro­ge­bäu­de in Kirch­heim und Nür­tin­gen fu­sio­nier­ten und damit auch die Kunst. “Es war ein bun­ter Mix ohne klare Linie.”, sagt Weber. “Wir hat­ten einen Hun­dert­was­ser, da­ne­ben an­de­re Kunst­dru­cke und an den Ar­beits­plät­zen der Mit­ar­bei­ter hin­gen deren pri­va­te Fotos.” Für die Neu­ge­stal­tung durf­ten die Kol­le­gen die Kunst mit aus­su­chen. Weber re­sü­miert: “Die Kom­mu­ni­ka­ti­on im Haus hat sich völ­lig ver­än­dert. Wir kom­men tat­säch­lich über die Kunst mit­ein­an­der ins Ge­spräch und reden dann au­to­ma­tisch über die Phi­lo­so­phie des Hau­ses.”

Für die Kun­den wurde jetzt sogar ein ganz spe­zi­el­ler Kunst­wunsch in Auf­trag ge­ge­ben: eine Volks­bank im wört­li­chen Sinne, als Bank fürs Volk. “Es wird eine Sitz­bank, in die Ob­jek­te ein­ge­ar­bei­tet wer­den, die die Men­schen gerne in einer Bank ver­ges­sen: Mün­zen, Schlüs­sel, oder Kopf­hö­rer.”

Es klingt ein wenig so, als sei das Lei­hen von Kunst in Ar­to­the­ken für Un­ter­neh­men nur ein Zwi­schen­schritt auf dem Weg zur end­gül­ti­gen Selbst­fin­dung. Aber das stimmt nicht, meint zu­min­dest Kunst­be­ra­te­rin Eva Mu­el­ler. “Ich würde dann kau­fen, wenn es darum geht, eine Iden­ti­tät für das Un­ter­neh­men zu er­ar­bei­ten, das Pro­fil zu schär­fen. Lei­hen hin­ge­gen ist über­all dort sinn­voll, wo immer neue Im­pul­se rein­kom­men und wo es um Ver­än­de­rung geht.”

Und ob nun kau­fen oder lei­hen, die Kunst­be­ra­te­rin fin­det es wich­tig, dass Un­ter­neh­men Kunst als wich­ti­gen Fak­tor ernst neh­men. “Wenn ein Au­to­kon­zern ein­fach Fotos von Autos in die Flure hängt, ist das ziem­lich platt.” Sie fügt hinzu: “Üb­ri­gens muss mo­der­ne Kunst nicht häss­lich sein. Es herrscht oft noch der Tenor: Nur wenn es rich­tig be­droh­lich und ab­schre­ckend rü­ber­kommt, ist es mo­der­ne Kunst. Aber wenn mich das Ge­mäl­de ein­fach nur de­pres­siv macht, oder nervt, kann ich nicht ar­bei­ten.”