Guten Tag,
diese Woche besuchte ich die Künstlerin Gloria Gans in ihrem Atelier und war zutiefst betroffen und begeistert von ihren jüngsten Gemälden. Die Entstehungsgeschichte zum neuen Werkzyklus ist ein gutes Beispiel dafür, wie Kunst entsteht. Daher möchte ich Sie Ihnen erzählen.
Nach ihrem Studium bei Günter Fruhtrunk, Roland Helmer und Helmut Sturm an der Akademie der Bildenden Künste in München verfolgt die Künstlerin Gloria Gans in konsequenter, jahrzehntelanger Auseinandersetzung mit der Malerei ein klares Anliegen. Keine Ideologie. Aber eine Botschaft.
Im Altenheim ihrer Eltern lernte Sie einen Pfleger aus Nigeria kennen, mit dem sich die Gespräche vertieften. Das neue Lebensumfeld beschäftigte Gloria Gans nicht nur privat, sie realisierte auch Aktionen mit Schüler*innen, die Heimbewohner*innen kennenlernten und zeichneten.
Glücklicherweise mussten die Eltern der Künstlerin nicht mehr erleben wie Corona ins Heim einzog. Übrig blieb der Kontakt mit dem Pfleger, der nach 9 Arbeitsjahren entlassen wurde, weil er ganzkörperverhüllt in Plastik die Maske gelüftet hatte. Überhaupt war da von Mobbing die Rede, von ganz „normalen“, alltäglichen Rassismuserfahrungen. Pandemiebedingt wechselten im digitalen Austausch bald nur noch WhatsApp Nachrichten und -Videos hin und her. Unterschiedliche kulturelle Prägungen, Vorurteile, Verletzungen wurden deutlich.
Inspiriert von den Video-Screenshots begann Gloria Gans zu malen, was sie hörte, sah und las. Nachdem die ersten Gemälde entstanden waren, wurde George Floyd in den USA erschossen und die Black Matters Bewegung entstand. Nicht selten, dass Künstler*innen mit ihrer sensiblen Wahrnehmung Themen aufgreifen, bevor sie uns allen mit aktuellen Ereignissen ins Bewusstsein gerufen werden.
Ein wesentliches Kriterium für herausragende Kunst wird daran deutlich: Auch wenn die Ausgangsidee auf einer persönlichen Begegnung beruht, geht es nie um Selbstbespiegelung. Erst die tiefgreifende inhaltliche Auseinandersetzung – und eine über Jahre und Jahrzehnte eingeübte, meisterlich gekonnte, künstlerische Gestaltung sorgt für eine universelle Aussage, die uns als Betrachter/innen bis ins Mark treffen kann.
Mit bewegten Grüssen
Ihre Eva Mueller
Abb: Gloria Gans, screenshot #5, „Verallgemeinerungen sind gefährlich“,
165x210cm, Leim, Kreidegrund, Pigmente, Acryl, Öl auf Jute, 2020
Abb: Gloria Gans, Screenshots #6,7,8 „they treated me worse than a pig“,
110×250 cm, Acryl, Öl auf Jute, 2020