was sie schon immer über new work wissen wollten –
und nein, new work bedeutet nicht homeoffice:
3 fragen an prof. dr. schermuly
New Work ist in aller Munde. Und wird gerne für alle möglichen (Verkaufs)-Argumente (New-Work-Möbel, PR, Führungsseminare) verwendet. Einer der genau weiss, wie Frithjof Bergman, der grosse Visionär dieser Utopie sich die Arbeitswelt wirklich wünschte, ist Prof. Dr. Carsten Schermuly. Daher heute 3 Fragen an ihn:
em1: Der New Work Begriff wird inflationär verwendet. Könnten Sie uns bitte die vier wichtigsten Grundlagen nennen?
profdrsch: Wir führen jedes Jahr mit verschiedenen Praxispartnern das New Work-Barometer durch. Dort explorieren wir auch die Zustimmungswerte für verschiedene New Work-Verständnisse. Das Verständnis, was derzeit die höchsten Zustimmungswerte im deutschsprachigen Raum bekommt, ist dasjenige, dass New Work verschiedene Massnahmen sind, die die Zielsetzung haben, das psychologische Empowerment der Mitarbeitenden zu steigern; d h. das Erleben von Sinnhaftigkeit, Selbstbestimmung, Einfluss und Kompetenz am Arbeitsplatz. Aber das leider sehr reduzierte Verständnis, dass New Work mit Homeoffice gleichzusetzen ist, breitet sich auch stark aus.
em2: Wenn Sie von New-Work-Kultur und Empowerment sprechen – welche Möglichkeiten sehen Sie, wie die Gestaltung der Arbeitsbereiche mit Kunst und der Dialog darüber dazu beitragen können?
profdrsch: Ich habe zwar mal ein Semester Malerei studiert, aber die Frage ist nicht einfach zu beantworten. Ich würde mich freuen und wäre schon zufrieden, wenn in deutschen Unternehmen eine Basis in den Bereichen Personalauswahl, Personalentwicklung, Organisationsentwicklung und Führung gelegt würde, die das Empowerment der Mitarbeitenden fördert. Wenn das geschafft ist, kann man sich auch der Kunst widmen. Vielleicht klappt das auch parallel. Z. B. kann man den Sinn eines Unternehmens gut künstlerisch bearbeiteten.
em3: Welche Entwicklung würden Sie sich für die Arbeitswelt jetzt wünschen?
profdrsch: Am 1. Mai wird mein neues Buch veröffentlicht. Ich habe eine New Work Utopie geschrieben und hier tatsächlich meine Träume für die Zukunft der Arbeitswelt in Form des fiktiven Unternehmens Stärkande dargelegt. Die Corona-Pandemie hat die Chimäre erschaffen, dass das Thema New Work aufgrund des verstärkten Einsatzes von Homeoffice breit in der Fläche angekommen sei. Aber das ist falsch. New Work kann und muss mehr. Im Unternehmen Stärkande werden deswegen zahlreiche bekannte New Work-Massnahmen miteinander ganzheitlich verknüpft, um das psychologische Empowerment aller Mitarbeitenden zu steigern.
Mich stören allerdings noch zwei weitere Entwicklungen, die mir die Basis für meinen utopischen Gegenentwurf geliefert haben. Die Personaler*innen scheinen mir in vielen Organisationen noch keinen positiven Zugang zur Digitalisierung gefunden zu haben. Die Digitalisierung von HR-Prozessen und der Einsatz künstlicher Intelligenz löst bei HR mehr Unbehagen als Neugier aus. Doch im 21. Jahrhundert werden manche Unternehmen die Digitalisierung in ihren Arbeitsprozessen umfänglich nutzen. Sie werden ihren Mitarbeitenden durch neue Technologien von unnötigem kognitivem Ballast befreien, um Freiräume für zwischenmenschliche Begegnung und Kreativität zu schaffen. Diese Unternehmen werden florieren und erfolgreich sein. Die anderen werden weiterhin googeln.
Mein letzter Motivator und Kritikpunkt für mein Buch ist schnell erklärt, weil der Zustand so unerträglich ist. Stärkande wurde von zwei Frauen gegründet. Dass es zwei erfolgreiche Digitalunternehmerinnen von der Größenordnung Stärkandes in Deutschland geben könnte, ist ein vollständig utopischer Zustand. Warum? Weil die Digitalisierung hier bis dato genauso männlich ist wie der Tiefbau – und das ist ein unakzeptabler Zustand. Die Digitalisierung ist ein Trend, der das menschliche Zusammenleben transformiert. Das kann nicht nur einem Teilbereich der Gesellschaft überlassen werden.
Mehr dazu finden Sie ab 1. Mai im neuen Buch „New Work Utopia“ von Prof. Dr. Carsten Schermuly!
Eine schönere Arbeitswelt ist möglich!
Mit herzlichem Gruss
Eva Mueller