Guten Tag

stimmt es wirk­lich? Ist Ed­ward Hop­per der Prot­ago­nist für die Dar­stel­lung von Iso­la­ti­on, Ein­sam­keit, Ver­las­sen­heit in der Mo­der­ne Ame­ri­kas zu Be­ginn des letz­ten Jahr­hun­derts? Passt also ge­ra­de seine Ma­le­rei in un­se­re „Zwangs-Iso­la­ti­ons-Zeit“?

John Ca­ciop­po, Pro­fes­sor und Di­rek­tor des Cen­ter for Co­gni­ti­ve and So­ci­al Neu­ro­sci­ence in Chi­ca­go un­ter­schied in sei­ner For­schung streng zwi­schen Al­lein­sein und Ein­sam­keit. Denn Ein­sam­keit hat nichts damit zu tun, ob wir uns in Ge­sell­schaft be­fin­den oder nicht. Wer sich ein­sam fühlt ist mit sei­nen So­zi­al­kon­tak­ten un­zu­frie­den, glaubt, nicht be­ach­tet, an­er­kannt, ge­braucht zu wer­den. Zu­ge­hö­rig­keit ist über­le­bens­wich­tig.

Das Ge­fühl der Ein­sam­keit ist also ein Warn­si­gnal, sich aktiv um Be­zie­hun­gen zu küm­mern. Per­fek­tio­nis­mus und Pes­si­mis­mus sind dabei die gröss­ten Hin­der­nis­se. Wer sich nicht in an­de­re ein­füh­len kann, ist davon be­son­ders be­trof­fen.

Die­ses Warn­si­gnal nutz­ten wohl auch die In­ter­pre­ten der Kunst Ed­ward Hop­pers, einem der be­deu­tends­ten US-Ma­lers des 20. Jahr­hun­derts. Sie pro­ji­zier­ten mehr oder min­der stark ihre ei­ge­ne Kri­tik an der zu­neh­men­den In­di­vi­dua­li­sie­rung. Pran­ger­ten damit das Feh­len fa­mi­liä­ren Zu­sam­men­halts an. Den Ver­lust tra­di­tio­nel­ler Ver­bin­dun­gen. Dass nun ganz un­ab­hän­gig von vor­ge­ge­be­nen ge­sell­schaft­li­chen, re­li­giö­sen und na­tio­na­len Zu­ge­hö­rig­kei­ten jede Per­son ihre Be­zie­hun­gen in ei­ge­ner Ver­ant­wor­tung selbst fin­den, knüp­fen und pfle­gen muss.

Für die meis­ten Künst­ler/innen ist da­ge­gen Al­lein­sein im Ate­lier die Vor­aus­set­zung für ihre krea­ti­ve Ar­beit. So­bald ihnen je­mand über die Schul­ter schau­en würde, wäre es damit vor­bei. Aber si­cher ken­nen auch Sie die Un­mög­lich­keit, etwas schöp­fe­risch zu ent­wi­ckeln, vor­aus­zu­den­ken, wenn so­fort Re­ak­tio­nen an­de­rer er­fol­gen.

Erst mit Er­geb­nis­sen tre­ten wir nach aus­sen. In die­ser Phase er­lei­den nun gross­ar­ti­ge Ge­mäl­de von Ed­ward Hop­per die Iso­la­ti­on ge­schlos­se­ner Mu­se­ums­räu­me in der Fon­da­ti­on Bey­e­ler. Dabei re­la­ti­vie­ren die Ku­ra­to­ren der Aus­stel­lung mit ihrer Aus­wahl end­lich die ein­sei­ti­ge In­ter­pre­ta­ti­on des Künst­lers. Hop­per war gerne un­ter­wegs, seine vie­len Land­schafts­bil­der zeu­gen davon. Fas­zi­nie­rend, wie er seine Sze­nen ein­fing. Über allem liegt eine ma­gi­sche Span­nung. Wir war­ten nur dar­auf, wer so­gleich auf­tre­ten wird, was wei­ter ge­schieht. Nicht um­sonst sahen ihn die Fil­me­ma­cher Al­fred Hitch­cock und Wim Wen­ders als gros­ses Vor­bild. Hier im An­schluss gibt es Links, was Sie davon auch in der ak­tu­el­len Si­tua­ti­on sehen kön­nen.

Ca­ciop­po üb­ri­gens ent­wi­ckel­te mit sei­nen Kol­leg/innen ein de­zi­dier­tes Pro­gramm gegen Ein­sam­keit. Er nann­te es „ease“. Der An­fangs­buch­sta­be „e“ steht für „ex­pect the best“, er­war­ten Sie das Beste, Po­si­ti­ve. Wie immer be­ginnt alles mit der Vi­si­on, pas­sen­der Vor­stel­lungs­kraft, was man ei­gent­lich er­rei­chen will. Wer glaubt, zu­rück­ge­wie­sen zu wer­den, kommt nicht zu „a“, der nö­ti­gen „ac­tion“. Ein Schrit­te-Plan kann dabei hel­fen. Als nächs­tes er­mu­tigt „selec­tive“ die Kon­tak­te de­zi­diert aus­zu­su­chen und nicht gleich auf­zu­ge­ben. Mit „ex­pect the best“ be­ginnt und endet das Pro­gramm!

In Ver­bun­den­heit, mit herz­li­chem Gruss
Ihre Eva Mu­el­ler

In un­se­rem Land der Küns­te und Phi­lo­so­pie z.B. Kants „Ka­te­go­ri­schen Im­pe­ra­tiv“ (Hand­le stets so, dass dein Ver­hal­ten zum Ge­setz wer­den könn­te) wer­den uns Nach­kom­men fra­gen, wie wir es zu­las­sen konn­ten, dass zwar die Ein­rei­se von 25000 Ern­te­hel­fern mög­lich war, je­doch nur von 50 frie­ren­den, hun­gern­den, kran­ken Kin­dern aus Flücht­lings­la­gern.

Auch von hier aus kön­nen wir etwas tun – in Dank­bar­keit, dass sich an­de­re Men­schen (z.B. der Fo­to­graf und Eu­ro­pa­ab­ge­ord­ne­te Erik Mar­quardt auf Les­bos) in Ver­bun­den­heit en­ga­gie­ren.

Hel­fen Sie mit?
https://​lea​veno​oneb​ehin​d202​0.​org/​de/

Nur wäh­rend der Aus­stel­lungs­öff­nung:
Abb.: „Squa­re Rock“, Ogun­quit von Ed­ward Hop­per, Öl auf Lein­wand, 61,8 x 74,3 cm, 1914,
Whit­ney Mu­se­um of Ame­ri­can Art, New York, Ver­mächt­nis Jo­se­phi­ne N. Hop­per
© Heirs of Jo­se­phi­ne Hop­per / 2019, Pro­Lit­te­ris, Zü­rich
Foto: © 2019. Di­gi­tal image Whit­ney Mu­se­um of Ame­ri­can Art / Li­cen­s­ed by Scala

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