3 Fragen an Dr. Astrid Fendt

Noch bevor dieser schreckliche Angriffskrieg begann, hatte ich Dr. Astrid Fendt, Kuratorin und Oberkonservatorin der Staatlichen Antikensammlung und Glyptothek München 3 Fragen gestellt. Wie aktuell sich nun die Lehren der Antike erweisen!

Mit diesem Interview möchte ich eine neue Reihe der sunday post beginnen. Um Ihnen immer wieder mal interessante Menschen aus ganz unterschiedlichen Bereichen vorstellen zu können.

Ich erfreue mich am besonderen Ambiente und der grossen Stille in der Glyptothek. An der unglaublichen Kunstfertigkeit und Ästhetik der Figuren. Wie sieht das Dr. Astrid Fendt?

em: Was ist für Sie das Besondere an der Glyptothek in München?
dr.af: Als Klassische Archäologin und Kunsthistorikerin sind die Marmorskulpturen in der Glyptothek für mich ein einzigartiger Schatz. Ich kann mich an den bildhauertechnisch meisterhaft gefertigten Figuren aus der griechischen und römischen Antike im wunderbar zeitlosen Museumsambiente erfreuen, vor allem aber mit ihnen intensiv wissenschaftlich beschäftigen. Als Spezialistin für die Restaurierung von antiker Plastik interessiert mich zusätzlich zum antiken Leben auch das Nachleben der Skulpturen. Aufgrund der vielen restauratorischen Veränderungen im Laufe der vergangenen Jahrhunderte sind es heute kulturell überformte Objekte, denen ganz unterschiedliche historische Schichten innewohnen. Diese erzählen uns viel über die ästhetischen und kulturpolitischen Vorstellungen vergangener Zeiten.

em: Warum sollten wir uns heute noch mit der Antike beschäftigen?
dr.af: Im antiken Griechenland und Rom wurden grundlegende philosophische und politische Positionen formuliert, die immer noch relevant für uns sind. Ein gutes Beispiel ist für mich die Einführung der attischen Demokratie im Athen des 5. Jahrhunderts v. Chr. Sie gilt als Vorläuferin unserer heutigen Demokratie, die in jetzigen Pandemie- und Kriegszeiten mehr denn je auf dem Prüfstand steht, die es zu reflektieren und bewahren gilt.

em: Welchen unmittelbaren Bezug zu unserem Leben erfahren wir durch einen Besuch in den Antikensammlungen und der Glyptothek?
dr.af: Ein Besuch in den beiden Museen am Königsplatz konfrontiert uns einerseits mit bekannten, weil in der europäischen Denktradition stehenden Lebensvorstellungen. Beispielsweise erkennen wir auf den bemalten Tongefäßen in den Antikensammlungen Szenen aus dem griechischen Mythos, der literarisch bestens überliefert ist. Andererseits reflektieren die Darstellungen aus dem Leben in griechisch-römischer Zeit auch Vorstellungen von Gesellschaftsorganisation, die wir heute kritisch reflektieren und hinterfragen müssen, wie patriarchale Strukturen oder Sklaverei. Sonderausstellungen, wie die aktuelle über die Seeschlacht von Salamis 480 v. Chr. wiederum vermitteln Wissen über historische Ereignisse, die sich bis heute auf unsere Weltordnung auswirken.

Es gibt Hoffnung, was aus Hitlers ehemaligem Aufmarschplatz geworden ist!
Herzlich Ihre Eva Mueller

 

P.S: Falls Sie nicht nach München kommen, können Sie auch einiges virtuell erleben: https://www.antike-am-koenigsplatz.mwn.de/index.php/de/mediathek

 

Abb: Glyptothek München, Ägineten, Giebelskulptruen des Aphaia-Tempels von Ägina, Marmor, 500-480 v. Chr.

Was lernen wir aus 2500 Jahren Kampf und Kriegsgetümmel?

 

 

Abb: Antikensamlungen München, Goldkranz von Armento, um 360 v. Chr.

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