Sommerspecial 23-3 – Flughafen München cancelt Kunst nach jahrelangen Vorbereitungen
Gerade schienen Kofferchaos und Probleme mit endlosen Warteschlangen am Flughafen behoben. Da brockt man sich nun in München einen neuen Imageverlust ein. Eigentlich wollte der Radio- und Fernsehjournalist Axel Mölkner-Kappl die Realisierung der Kunst am Bau Wettbewerbe am Münchner Flughafen dokumentieren. Dabei erfuhr er dann, dass alle Projekte gecancelt wurden. So ein Schritt ist von gesellschaftspolitischer Bedeutung in einem öffentlichen Raum für Millionen Menschen. Keine rein privatwirtschaftlich Entscheidung.
Und so stand diese Woche das Telefon bei mir nicht mehr still. Rundfunk, Fernsehen und Zeitungen interessierten sich dafür, warum der Flughafen München, ausgerechnet jetzt, nachdem steigende Fluggastzahlen verkündet werden, alle Kunst am Bau Projekte cancelt.
Kein schönes Reiseerlebnis mehr?
Dabei investieren die Flughäfen weltweit gerade in eine besondere Aufenthaltsqualität und Wohlfühlatmosphäre. Sei es in Singapur, mit riesigen künstlerisch gestalteten Grünflächen, zugänglich für die ganze Stadt. Oder am Incheon International in Korea mit integriertem Kunstmuseum und kulturellen Darbietungen für Fluggäste und Besucher:innen. Am Chhatrapati Shivaji Airport Mumbai (sunday post 210) ermöglichen 7000 Exponate eine aufregende Reise durch die Kulturgeschichte Indiens. Von kunstvoll geschnitzten Tempelwägen oder Götterstatuen bis zum neuesten Hype um die zeitgenössischen indischen Künstler:innen. Dieses grösste Museum der Welt sehen 40 Mio. Menschen im Jahr (den Louvre besuchen ca. 10 Mio.!). Ein gelungenes Beispiel dafür, wie Kunstwerke sinnvoll in den Alltag eingebunden werden können – und somit wirklich viele Menschen in ihrem Leben dienen. Ideen muss man haben – und den Mut sie auch umzusetzen!
So schafft man Anziehungskraft – und ein schönes Reiseerlebnis! Das freut Fluggäste, Begleitungen – und vor allem auch die Mitarbeitenden, die sich den ganzen Tag hier aufhalten. Wie sie eine gute Atmosphäre im Raum bei Ihrer Aufgabe unterstützt, freundlich und hilfsbereit auf Klagen zu reagieren, das kann man sich doch vorstellen.
Ich durfte die aufwändigen Kunst-am-Bau Wettbewerbe seit 2016 und 2019 begleiten. Alle Künstler:innen waren während der gesamten 3-jährigen Coronazeit äusserst loyal, als es wirklich wirtschaftlich grosse Probleme am Flughafen gab. Die Kündigungen jetzt, nach jahrelangen Vorbereitungen, erscheinen höchst unangemessen, wenn man die Beträge bedenkt, die für die Kunst anfallen würden – beim Satelliten wären es ca. 0,1-0,2 %, bei der Terminal 1 Erweiterung ca. 0,3 % der jeweiligen Bausumme.
Wenn die langfristige Vision fehlt
Konzentrieren wir uns in Zukunft lieber auf Bahnhöfe? Ökologisch auf jeden Fall ein Argument. Kulturgeschichtlich ganz bestimmt – wie St. Pancreas in London, die Sirkeci Station in Istanbul, Atocha in Madrid oder der Bahnhof in Antwerpen beweisen.
Aber vielleicht passiert ja ein Umdenken? Der sich als Kulturstaat (!) definierende Freistaat Bayern (Aufsichtsratsvorsitzenden Finanzminister Albert Füracker) und die Stadt München (Aufsichtsratsmitglied Oberbürgermeister Dieter Reiter) sind Anteilseigner des Flughafens München. Vielleicht erkennen sie: Beeindruckende Reiseerlebnisse zählen nicht nur ästhetisch!
Ich wünsche Ihnen auf jeden Fall die schönsten Reiseerlebnisse,
herzlich, Ihre Eva Mueller
Text und Audiobeitrag von BR2 finden Sie hier:
Ganz unten, nach dem Text ist auch der Film von der BR Rundschau eingebaut
Der zweite Beitrag war in der BR Abendschau – hier ab Min 19.01
Süddeutsche Zeitung – Artikel von Evelyn Vogel
Weitere Beiträge in monopol, Kunstforum, Berliner Zeitung u.a.
Damit Sie einen Eindruck bekommen, was dem Flughafen München mit dieser Entscheidung verloren gehen kann, hier die Abbildungen der jeweils von den Juries gekürten Sieger:innen der Wettbewerbe:
Links oben: Ulrike Heydenreich, Topographische Karten an den Seitenwänden in Rolltreppenraum zu den Bahnsteigen im Terminal 2. Daneben von Ulrike Heydenreich die Kompassnadel im Luftraum über den Rolltreppen im Satellit, mit Blick auf ein dreischichtiges Hochgebirgspanorama.
Rechts oben: Klaus Staudt mit zwei der Fassadengestaltungen für die Terminal 1 Erweiterung.
Links unten: Inge Dick „Lichtzeichen“, hier Frühling und Herbst aus den 4 geplanten Jahreszeiten für die Wartebereiche im Terminal 1.
Rechts unten: Prof. Dorothea Reese-Heim „Kometenschweif“ und „Turmbau“, 2 von 6 Installationen für die Fluggastbrücken im Terminal 1.
Weitere Ausgaben von eva muellers visionary sunday post unter: https://www.kunstberatung.de/service/newsletter-eva-muellers-visionary-sunday-post/