Unser tägliches Brot mal ich mir heute
Atelierbesuch bei Sabine Frank
Wer das Atelier von Sabine Frank betritt, den verzaubert der Eindruck einer ganz anderen Welt. An den Wänden Meisterwerke, im Raum Möbelstücke der letzten Jahrhunderte, vermischt mit ihren Bildern „unser tägliches Brot“.
Wie kommt man auf so eine Idee, das tägliche Brot zu malen?
Angefangen hatte alles mit einem der typischen französischen Brote, einem pain de campagne, aus einer der vielen kleinen Bäckereien, die im Südwesten Frankreichs immer mehr verschwinden. Am 21. Januar 1999 malte es Sabine Frank an ihrem damaligen Wohnort in Labastide du Vert.
Am 27. Mai 1999 eröffnete sie ihre erste eigene „Bäckerei“ in einem einstigen Brot- und Lebens-mittelladen in Villa de Gargnano, in Italien. Weitere Orte folgten: Ehemalige Lebensmittelläden, verlassene Backstuben oder Verkaufsräume einer tätigen Bäckerei dienten als Ausstellungsplatz.
Es entstand ein Archiv von Broten aus Frankreich, Italien, der Schweiz, Österreich und Deutschland. Allerdings werden sie nur gemalt, wenn sie nach traditionellen, handwerklichen Methoden gebacken werden. 2002 konnte ich mit ihren Werken eine Ausstellung im Deutschen Brotmuseum kuratieren.
Drei Jahre lang hat sie ein Brot gekauft, gemalt und anschliessend (häufig mit Freunden) gegessen.
Sabine Frank dokumentiert die geschichtliche Bedeutung des Brotes als dem existentiellsten Lebensmittels, zumindest im europäischen Raum. Maler wie On Kawara wählten die tägliche Abbildung des Datums. Sabine Frank unterscheidet die Tage nach Bäckereien, Brotsorten, Ortschaften. Jedes Brot wird im Kalender vermerkt und festgehalten. Bewusst wählt sie als Medium die Malerei. Anders als in der Fotografie individualisiert und transformiert sie so ihre „Brot-Erfahrung“ im Malvorgang.
Die Malerei wird zugleich zu einer Hommage an die Kultur eines ehrwürdigen, durch die Technisierung mehr und mehr verschwindenden Handwerks, an deren Stelle die vollautomatisierte Backstrasse mit ihren Fertigzusätzen und Geschmacksverstärkern den Siegeszug angetreten hat.
Der Malgrund für unser tägliches Brot: Privatdokumente aus dem 17. bis 19. Jahrhundert
Sabine Frank stöbert gerne auf Flohmärkten. In Frankreich und Italien entdeckte sie diese ganz besonderen Dokumente. Auf ihnen vermischt sich ihre Malerei, unser tägliches Brot mit dem täglichen Leben. Festgehalten auf Testamenten, Ehe- oder Pachtverträgen dokumentiert sie damit Lebensgeschichten aus drei Jahrhunderten. Dank der echten Galltinte ist der Malprozess überhaupt möglich, bleiben die Schriftzüge erhalten.
Ihr zeitgenössisches Verständnis für die Konzeptkunst verbindet sich mit altmeisterlicher, rein dem Gegenstand verpflichteter Malweise und der Erinnerung an das, was in unserer Welt der Entindividualisierung an Qualität verloren zu gehen droht: Kleine Bäckereien, die handwerklich aufwendig und liebevoll ihrer Verpflichtung nachgehen, für wirkliche Lebens-Mittel zu sorgen. Das Bewusstsein der eigenen Handschrift und die Liebe zur Schönheit der Malerei in ihrem Wiedererkennungseffekt. Die Freude am Gegenstand, dem Spannungsmoment von Licht und Schatten.
Die Magie dieser Welt empfängt uns im Atlelier von Sabine Frank und vermittelt sich in ihren Werken.
Verzaubert, Ihre Eva Mueller
Abb.: Die Malerin Sabine Frank in ihrem Atelier. Fotos: Magazin „Jeanne d’Arc Living“ in ihrem Artikel über die Künstlerin Sabine Frank.