Daily Rituals – How Artists Work

 

Guten Tag,

gibt es in Ihrem Tagesablauf unwiderstössliche Rituale, auf die Sie schwören – und die Sie auf jeden Fall einhalten? Stehen Sie jeden Morgen um die gleiche Zeit auf; frühstücken grundsätzlich im Morgenrock; nehmen nur den ganz speziellen Tee aus Indien zu sich; lesen erst ein paar Zeilen in einem guten Buch, bevor Sie Ihre Mails öffnen; schreiben noch auf der Bettkante sitzend auf, was Sie heute erleben wollen; führen erst den Hund spazieren; fahren grundsätzlich mit dem Fahrrad; begrüssen erst mal alle Mitarbeiter Ihrer Abteilung, bevor Sie in Ihr Büro gehen; essen zu Mittag immer beim familiär geführten Italiener um die Ecke; telefonieren nachmittags stets mit Ihren Kindern; gehen, egal bei welchem Wetter, eine halbe Stunde spazieren…?

Oder lehnen Sie jegliche Regelhaftigkeit ab? Versuchen Sie ganz aus dem Moment und Augenblick zu entscheiden – auch wenn es natürlich Termine gibt, die Sie einhalten müssen?

Welche Haltung – glauben Sie – lässt Sie eher kreativ sein? Dieser Frage widmet sich Mason Currey in seinem höchst lesenswerten Buch „Daily Rituals – How Artists work“. Von Thomas Mann bis Simone de Beauvoir, Ludwig van Beethoven bis Patricia Highsmith, Jane Austen bis Toni Morrison, George Sand bis Agatha Christie, Emmanuel Kant bis Gerhard Richter, Frederico Fellini bis Gertrude Stein hat er Notizen, Tagebücher, Zeitzeugenberichte und vieles andere mehr von über 162 Künstlerinnen aller Epochen und Gattungen gesammelt, auf welche täglichen Rituale sie schwörten.

Für die kreative Leistung und den Erfolg der Protagonist/innen scheint weniger von Bedeutung, ob sie nun einen bestimmten Tagesablauf einhielten oder nicht. Viel mehr kommt es darauf an, dass sie von ihrer Art zu leben vollkommen überzeugt waren und diese für die beste hielten. Um so frappierender ist es, dass viele höchst effektive Künstler tagtäglich mit sich kämpften. Der grosse Komponist Dmitry Shostakovich wurde von anderen kaum beim Arbeiten gesehen. All seine Musik entwickelte er vollständig in seiner Vorstellung und schrieb sie in atemberaubender Geschwindigkeit zwischen seinen gesellschaftlichen Auftritten nieder. So verschwand er auch plötzlich beim Fussballspiel mit Freunden, um eine Stunde später aufzutauchen, nachdem er etliche Seiten seiner Komposition notiert hatte. Dabei war er mit seinem Können selbst höchst unzufrieden – für das ihn sicher viele seiner Kolleg/innen beneidet hätten, die Mühe mit dem leeren Notenpapier hatten, quälend viele Versionen auf dem Piano probierten und danach noch Stunden korrigierend arbeiteten. Er selbst aber sah seine Schnelligkeit als „schlechte Angewohnheit“!

Mit ermutigenden Grüssen

Ihre Eva Mueller

 

Anna Ingerfurth: „Hauptsache, man tut es“
Acryl/MD, 13.5 x 15.5, 2007

In den Bildern der Künstlerin Anna Ingerfurth wird so manche Absurdität unseres Lebens auf augenzwinkernde Art aufgenommen. Die Menschen erscheinen in losgelösten Bildräumen, die uns doch bekannt vorkommen, Assoziationen wecken und Geschichten erzählen, die unsere sein könnten.

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