Seestück: Kleine Stilkunde
Neue Künstler:innen zu entdecken ist immer eine ganz besondere Freude für mich! Diesmal war es der 1837 in Kreta geborene Maler Konstantinos Volanakis – also ausnahmsweise kein Zeitgenosse. Der Anlass für ein neues Kapitel zur kleinen Stilkunde, heute das „Seestück“. In seiner Vita gibt es zudem eine besondere Beziehung zu München. Zu dieser Zeit reiste man aus aller Welt hierher, um sich unterrichten zu lassen, bei Carl Theodor von Piloty, Franz von Lenbach oder später Franz von Stuck.
Seine Liebe galt den Meerstudien mit Schiffen – und den dazugehörigen Menschen. Von Seestücken spricht man erst in der zeitgenössischen Malerei. Sie kennen vielleicht die berühmten Werke von Gerhard Richter.
Kult-Ur
Im Ursprung untermauerten Gemälde den jeweiligen Kult. Sie erzählten Geschichten mythologischer oder religiöser Natur. Landschaften, ob im Grünen oder auf dem Wasser, dienten dabei nur als Hintergrund. Pieter Bruegel der Ältere löst sich mit seinem Gemälde „Seesturm“ (1568) als erster davon und stellt das Geschehen auf dem Meer in den Mittelpunkt.
Im „Goldenen Zeitalter“ der Niederlande des 17. Jahrhunderts, das auf der Ausbeutung der Kolonien gründete – und vielen Handelsbeziehungen in aller Welt, gewann die Darstellung der Schifffahrt, die beides ermöglichte, an Bedeutung. Die Marinemaler standen hoch im Kurs. Der Kunsthandel boomte. Es gehörte zum guten Ton, Kunstwerke zu sammeln. Und immer mehr Menschen konnten sie sich leisten.
Emotional dramatische Szenerien der Marine, Seeschlachten, Stürme, Schiffe im Mondlicht vor Anker oder Wettbewerbe wie bei Regatten, ziehen leicht die Aufmerksamkeit auf sich. Sie regen dazu an, sich mit dem dargestellten Auf und Ab des Lebens zu identifizieren.
Konstantinos Volanakis
Die Werke von Konstantinos Volanakis begeistern dabei nicht nur durch ihre „Marinemalerei“, die Präzision der Schiffe. Mich hat vor allem auch die liebevolle Detailzeichnung der Menschen rund um die Boote überzeugt. In ihren Gesichtern, ihrer Haltung erzählt er uns auf bewegende Weise von ihrem Leben, das sich uns nach so langer Zeit genauso vermittelt wie vor fast 125 Jahren. Wirklich gute Kunst ist eben zeitlos.
Mit begeisterten Grüssen
Ihre Eva Mueller
Abb: Konstantinos Volanakis „Seaside with Fishing Boat, ca. 1889, Öl auf Leinwand, 59,5×131 cm, Aikaterini Laskaridis Foundation, Municipal Art Gallery of Chania
Abb: Nahaufnahme Konstantinos Volanakis, „Ships at Sunset“, Öl auf Leinwand, 49 x75 cm, Aikaterini Laskaridis Foundation, Municipal Art Gallery of Chania
Selbstverständlich vermittelt sich jedes Gemälde erst in der persönlichen Begegnung. Doch sehen Sie nur, wie diese Menschen beieinander sitzen. Wie Frau und Mann miteinander sprechen, wie zugewandt, die Haltung, wie versunken die Kinder in ihr Tun, obwohl man die Gesichter nur angedeutet sieht!
Hier noch ein klassisches Seestück – oder in diesem Fall korrekter Marinebild.